Mar 23, 2023
 in 

Zentraler Netz- und Anlagenschutz in der Niederspannung?

Youtube
H

ERZlich Willkommen liebe Freude, der Schutz-, Leit- und Elektrotechnik. In unserem heutigen Beitrag schauen wir uns eine Lösung für den zentralen Netz- und Anlagenschutz an. Dieser basiert auf der Technischen Anwendungsregel 4105, welche vom VDE herausgegeben wird und die technischen Mindestanforderungen für den Anschluss und den Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz regelt. Ja, ihr habt richtig gehört, heute geht es mal wieder um Niederspannung, so let's get low in voltage!

Euer SCHUTZTECHNIK-TEAM

(Lesebeitrag unter dem Video)

Warum?

Alle, die unsere Beiträge verfolgen, wissen, dass wir gern mit der Frage nach dem Warum starten, denn: Wer ein Warum hat, kann jedes Wie ertragen. Also, warum gibt es den Netz- und Anlagenschutz nach der Anwendungsregel 4105?

Es ist kein großes Geheimnis, dass wir eine Energietransformation durchlaufen, welche die Einbindung unzähliger dezentraler Energieerzeuger in die Niederspannungsebene mit sich bringt. Um nun die Versorgungssicherheit mit dieser riesigen Anzahl an regenerativen Erzeugern sicherzustellen, war es zwingend erforderlich eine koordinierte Arbeits- und Verhaltensweise der Einspeiser am Netz zu vereinbaren. So hatte der Verband der Netzbetreiber in seiner Richtlinie "Eigenerzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz" aus dem Jahr 2005 unter anderem eine Überfrequenzstufe definiert, welche die sofortige Trennung aller Photovoltaikanlagen beim Erreichen eines Wertes von 50,2 Hz forderte.

Abbildung 1: Eigenerzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz aus 2005

Daraus resultierte das in der Fachwelt als 50,2-Hz-Problem bekannte Phänomen, dass bei einer gleichzeitigen Abschaltung von damals bereits über 25 GWp installierter Photovoltaik-Leistung, keine hinreichend schnelle Leistungsreserve zur Verfügung gestanden hätte. Eine mögliche Folge wäre dann ein größerer Stromausfall gewesen. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, wurde in der "Systemstabilitätsverordnung" vom 26. Juli 2012 die Umrüstung aller Bestandsanlagen > 10 kW festgeschrieben und zudem auf die erstmals im Jahr 2011 erschienene 4105-Anwendungsregel als verbindliche technische Grundlage verwiesen.

Systemstabilitätsverordnung
Abbildung 2: Systemstabilitätsverordnung aus 2012
VDE-AR-N 4105
Abbildung 3: VDE-AR-N 4105

In ihrer aktuell gültigen Ausgabe aus dem Jahr 2018 legt die 4105 damit einen sinnvollen technischen Rahmen für alle in der Niederspannungsebene befindlichen dezentralen Erzeuger und Speicher. Dabei steht ganz klar die Forderung nach Systemdienstleistungen zur Spannungs- und Frequenzstützung im Vordergrund. Wir sehen also, dass die 4105 in allererster Linie zur technischen Optimierung der Versorgungssicherheit dient und damit eine bedeutungsvolle Rolle bekleidet. Schauen wir uns nun den zentralen Netz- und Anlagenschutz nach 4105 etwas genauer an.

NA Schutz nach 4105

Der zentrale Netz- und Anlagenschutz wird durch typgeprüfte und zertifizierte Schutzeinrichtungen realisiert und ist vorgeschrieben, wenn die Summe der Scheinleistungen aller am Netzanschlusspunkt angeschlossenen Erzeugungsanlagen größer als 30 kVA ist. Eine Ausnahme bilden hier Blockheizkraftwerke, wenn sie über eine jederzeit zugängliche Schaltstelle inkl. Trennfunktion verfügen. In der Abbildung sehen wir das typische Anschlussbild bei einer Erzeugungsanlage > 30 kVA mit Volleinspeisung.

EZA > 30 kVA mit Volleinspeisung am NS-Netz
Abbildung 4: Übersicht EZA > 30 kVA mit Volleinspeisung am NS-Netz

Links befindet sich der Hausanschlusskasten des Netzbetreibers und dahinter die Eigentumsgrenze zum Kunden. Kundenseitig finden wir dann den klassischen Bezugszähler und die dazugehörigen Abgänge. Die PV-Anlagen speisen über 3-phasige Wechselrichter und über einen zusätzlichen Erzeugungszähler in das Niederspannungsnetz ein. Der zentrale NA-Schutz sitzt in einem geeigneten Stromkreisverteiler und wirkt auf den zentralen Kuppelschalter der Anlage. Da gefordert ist, dass bei einem defekten Kuppelschalter die Anlage nicht mehr einspeisen und wieder einschalten darf, werden in der Praxis zwei Kuppelschalter in Reihe geschaltet (seit VDE-AR-N 4105 2018-11 nicht mehr verpflichtend gefordert). Dadurch wird auch der Gedanke bezüglich der Redundanz und der Einfehlersicherheit konsequent zu Ende geführt.

Technische Anforderungen

Die zum Einsatz kommenden Relais müssen ebenfalls einige Bedingungen erfüllen. Dazu zählt die Überwachung von Spannung und Frequenz und die Forderung, dass der Ausfall der Hilfsspannungsversorgung des zentralen NA-Schutzes zum unverzögerten Auslösen des Kuppelschalters führen muss. Die erforderliche Gesamtabschaltzeit darf dabei maximal 200 ms betragen. Weiterhin ist die Schutzeinrichtung vor unbefugter Bedienung z.B. durch Passwort oder Plombierung zu schützen und Schutzgeräte für den zentralen NA-Schutz müssen einfehlersicher aufgebaut sein. Einfehlersicher heißt, sie müssen dementsprechend zweikanalig gebaut werden und eine integrierte Selbstüberwachung besitzen. Bis zu 5 Ereignisse sind in einem vorzusehenden Fehlerspeicher abzuspeichern und es muss eine Testfunktion zur Prüfung der Auslösung auf den Kuppelschalter vorhanden sein. Wir sehen also das es hier eine Menge wichtiger Punkte gibt und das man nicht wahllos jedes herkömmliche Spannungs- oder Frequenzrelais verwenden kann.

XUFD der SEG Electronics

Um die genannten Anforderungen zu erfüllen, stellen wir Euch heute das XUFD der Firma SEG Electronics vor.

XUFD von SEG Electronics
Abbildung 5: Zentraler NA Schutz XUFD von SEG

Beim XUFD handelt es sich um einen zentralen Netz- und Anlagenschutz für BHKW’s, Wind- und Wasserkraft sowie für Photovoltaikanlagen. Das XUFD wird einfach auf Hutschiene montiert und wie folgt angeschlossen:

XUFD von SEG in einer EZA
Abbildung 6: Einbindung des XUFD von SEG in einer EZA

An den Klemmen A1 und A2 wird die Versorgungsspannung angeklemmt. Dabei kann es sich entweder um 24 V DC oder auch um 110 bis 230 V AC handeln. Zudem müssen die Spannungen an den Eingangsklemmen L1, L2, L3 und N angeschlossen werden. Das XUFD verfügt über 3 Ausgangsrelais, wovon wir 2 mit den Trennschützen bzw. Kuppelschalterspulen verbinden und R3 für die Einbindung als Rückmeldekontakt dienen kann. Durch die gewählte Beschaltung wird sichergestellt, dass der Ausfall der Versorgungsspannung des Schutzrelais zur Trennung der Anlage führt, da hier umgehend beide Koppelrelais wieder abfallen würden. Zwei der insgesamt 5 digitalen Eingänge verwenden wir für die Rückmeldungen der Kuppelschalter und ein Dritter kann beispielsweise für eine optionale Fernabschaltung aufgelegt werden.

Nach der sehr einfachen Anbindung des Relais ist praktisch kein Engineering mehr erforderlich. Das XUFD verfügt über unzählige vorprogrammierte Parametersätze und es ist einfach nur die zutreffende Richtlinie auszuwählen. Dabei stehen die wichtigsten Normen und Standards für die folgenden Länder zur Verfügung:

🌐 Deutschland
🌐 Österreich
🌐 Italien
🌐 Großbritannien
🌐 Belgien
🌐 Schweiz
🌐 Niederlande
🌐 Frankreich
🌐 Türkei
🌐 Griechenland
🌐 Australien
🌐 Neuseeland
🌐 Südafrika

Ferner ist auch die freie Parametrierung, unabhängig von bestehenden Standards, möglich. Für Deutschland gibt es die Auswahl:

4105: 2018 (Pn ≤ 50 kW) für alle direkt oder über Umrichter gekoppelte Synchron- und Asynchrongeneratoren mit einer Nennwirkleistung kleiner gleich 50 kW

4105: 2018 (Pn > 50 kW) für direkt gekoppelte Synchron- und Asynchrongeneratoren mit einer Nennwirkleistung größer 50 kW

4105: 2018 (Converter) für Umrichter

Hier also einfach die zutreffende Option auswählen, Zeiten nach Vorgabe anpassen und fertig ist die gesamte Konfiguration. Das XUFD führt im Betrieb zyklische Selbsttests durch und verfügt über eine eigene Testfunktion für die Inbetriebsetzung und zur wiederkehrenden Prüfung. Die Aktivierung der Testfunktion führt zur Abschaltung der beiden Ausgangsrelais R1 und R2 und damit zur Öffnung der Kuppelschalter. Dabei wird die Abschaltzeit der angeschlossenen Trennschütze oder Kuppelschalter automatisch gemessen und gespeichert und kann sofort über die Anzeige abgerufen werden. Generell kann das XUFD bis zu 50 Einträge im Fehlerspeicher inklusive Zeitstempel erfassen und ist zudem zur Inselnetzerkennung auf Basis von Außenleiterüberwachung, Frequenzänderungsrate und Vektorsprung fähig.

Der Schutz vor unbefugtem Zugriff ist ebenfalls gegeben, da das Gerät mit einem Passwortschutz und der Möglichkeit zur Plombierung ausgestattet ist. Dazu einfach die PROG-Taste ohne Kraftaufwand ein kleines Stück herausziehen und den Plombierdraht durch die existierende Bohrung führen. Das Startpasswort für das Gerät sollte natürlich bei Inbetriebsetzung individuell geändert werden. Wenn Ihr das Startpasswort nicht kennen solltet, dann schaut wie gewohnt im Downloadbereich unserer Seite schutztechnik.com nach.

Das XUFD der SEG Electronics ist ein zuverlässiges und preiswertes Gerät für den zentralen Netz- und Anlagenschutz und kann ab sofort in unserem Online-Store auf schutztechnik.com bestellt werden. Wir versuchen immer eine kleine Anzahl vorrätig zu haben, wenn Ihr größere Mengen benötigt fragt uns bitte einfach an.

HERZliche Grüsse,

Euer SCHUTZTECHNIK-TEAM

Hol Dir diesen Beitrag als PDF
SEG Electronics WIC 1 Schneller als Dein AirbagA. Eberle GmbH & Co. KG Wir regeln das.Parametrierung & Prüfung von Schutzsystemen Engineering AcademyPhoenix Contact NSE Das mehr an SchutzMegger Sverker 900Omicron Electronics Die Zukunft der Schutzprüfung
Erdschluss Mittelspannung
Omicron Prüfgerät Sekundärschutz
Prüfequipment für Schutzprüfungen
Klemmleiste mit Prüfsteckern
Siprotec Schutzgerät bei der Prüfung
Siemens Siprotec Kompaktgeräte
Stromwanlderprüfung an defekten Keramikklemmen
Sternpunkt 588 MVA Generator