Apr 5, 2022
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Diffschutz

Was ist eigentlich E-Diff?

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ERZlich Willkommen liebe Freunde der Schutz-, Leit- und Elektrotechnik. Was ist eigentlich E-Diff und wozu braucht man sowas? In unserem heutigen Beitrag stellen wir Euch eine eigentlich schon recht alte Erweiterungsform des klassischen Differentialschutzes vor, die in der Praxis noch immer nicht richtig Fuß fasst. Warum eigentlich nicht?

Viel Spaß beim Lesen!

Einleitung

Um Wesen und Funktionalität des E-Diffs (ANSI: 87N) zu erfassen, ist es zielführend zunächst von der Funktion und den Herausforderungen des klassischen Differentialschutzes auszugehen. Der Differentialschutz hat den entscheidenden Vorteil einer absoluten und definitiven Selektivität, da der Schutzbereich durch die Einbauorte der Stromwandler bestimmt wird.

Schutzbereich Differentialschutz

Eine seiner wesentlichen Herausforderungen ist die Berücksichtigung von unerwünschten Differenzströmen, welche den Algorithmus in die Unter- und vor allem in die Überfunktion treiben können. Beim Generator- und Leitungsdifferentialschutz sind das zunächst triviale Fehlanpassungen aufgrund typischer Wandlerfehler und die Wandlerübersetzungen an sich. Richtig spannend wird es beim Differentialschutz für Transformatoren, da hier einige weitere Aspekte berücksichtig werden müssen. Der Trafo verfügt im Falle eines Zweiwicklers über 2 unterschiedliche Spannungsebenen und dementsprechend auch über abweichende Nennströme.

Fehlanpassung beim Differentialschutz am Trafo

Das Übersetzungsverhältnis des Transformators muss dementsprechend durch den Schutzalgorithmus berücksichtigt werden. Weitere unerwünschte Differenzströme entstehen aufgrund der Schaltgruppe des Transformators, da die Ströme zwischen den Trafoseiten um 30° je Zähler phasenverschoben sind. Vor dem Einzug der digitalen Schutztechnik, wurden die genannten Abweichungen über sogenannte Anpasswandler kompensiert.

Anspasswandler für Differentialschutz

Einen Einblick in das Thema der Anpasswandler hatten wir in unserem Beitrag: Die Bürde das Wandlers ist unantastbar? gegeben.

Die heutige Generation von Schutzrelais arbeitet digital und bedient sich der numerischen Anpassung. Dabei erfolgt eine üblicherweise auf den Bemessungsstrom von Trafoseite 1 bezogene Berechnung, wobei die sekundär gemessenen Ströme in primäre Ströme umgerechnet werden. Alle weiteren Anpassungen, wie z.B. Schaltgruppe, Wandlerübersetzung, Sternpunktrichtung der Stromwandler und das Übersetzungsverhältnis des Trafos, werden numerisch berücksichtigt. Doch damit nicht genug, auch die unterschiedliche Sternpunktbehandlung zwischen Ober- und Unterspannungsseite ist von großer Relevanz.

Nullstromeliminierung

Die folgende Abbildung zeigt eine Transformatoranordnung mit einer Y yn d-Schaltung, die einem klassischen Netzkuppler entspricht.

Nullstromeliminierung

Sobald der Sternpunkt einer Trafoseite geerdet wird und ein außenliegender einpoliger Kurzschluss eintritt, ist das klassische Differentialschutzsystem nicht mehr in der Lage zu stabilisieren. Der Grund: Das Nullsystem wird durch die vorhandene Ausgleichswicklung nicht auf die andere Seite des Transformators übertragen. Der Einpolige Kurzschluss der Unterspannungsseite erscheint somit als dreipoliger Fehler auf der Oberspannungsseite. Hier wird nun die numerische Nullstromelimination  durch den Schutzalgorithmus vorgenommen. Dabei wird von den beiden Vektoren der Ober- und Unterspannungsseite,

Vektoren der Ober- und Unterspannungsseite

dass Nullsystem der eigenen Trafoseite von jedem Phasenstrom abgezogen. Das Nullsystem berechnet sich generell auf Basis der symmetrischen Komponenten zu:

Formel zur Berechnung des Nullstroms

In unserem Beispiel beträgt der Nullstrom der Oberspannungsseite Ipo = 0 und der Nullstrom der Unterspannungsseite Iso = 1.

Wir ziehen nun den Nullstrom vom Phasenstromvektor ab. Für die Primärseite ergibt sich hier ein unveränderter Vektor, da das oberspannungsseitige Nullsystem schlicht nicht existiert bzw. Null ist.

Nullstromeliminierung der Primärseite Differentialschutz

Auf der Sekundärseite passiert nun die „Magie“, wir erhalten ebenfalls den Vektor der Oberspannungsseite, da nun das sekundäre Nullsystem eliminiert bzw. numerisch abgezogen wurde.

Nullstromeliminierung der Sekundärseite Differentialschutz

Berechnet der Algorithmus nun die Diff- und Stabwerte, tritt beim externen einpoligen Fehler wieder ein stabiles System in Erscheinung. Der Nullstrom wurde numerisch eliminiert.

Auch die Elimination des Nullstroms wurde vor dem Einzug der Digitaltechnik mit entsprechenden Anpasswandlern durchgeführt. Heute wird sie in den meisten Fällen berechnet. Diese Berechnung hat jedoch einen wesentlichen Nachteil:

„Bei der berechneten Nullstromelimination, werden interne einpolige Fehler der geerdeten Seite mit einer um 1/3 geringeren Empfindlichkeit gesehen.“

Um diesem Phänomen zu begegnen, ist darüber hinaus auch die Messung des Nullsystems möglich, indem ein zusätzlicher Stromwandler im Erdstrompfad des Sternpunktes integriert wird. Das Schutzrelais ist dadurch in der Lage, den tatsächlich gemessenen Strom im Erdpfad durch 3 zu teilen und von den Phasenströmen abzuziehen.

Sollten wir einen zusätzlichen Stromwandler im Erdpfad zur Verfügung haben, können wir einem diesem Nachteil des Differentialschutzes begegnen und kommen damit zum Erdfehler-Differentialschutz bzw. E-Diff, denn es bleibt dabei:

„Erdfehler in der Nähe des Sternpunktes sind generell schwer zu erfassen.“
Sternpunktnaher Kurzschluss im Transformator

Warum E-Diff?

Die folgende Abbildung zeigt den prinzipiellen Aufbau eines Erdfehler-Differentialschutzes (siehe blaue Darstellung).

Aufbau des Erdfehler-Differentialschutzes

Wie wir sehen benötigt die Schutzfunktion 4 Stromeingänge. Es wird der gemessene Strom des Sternpunktes mit dem berechneten Nullstrom der 3 Leiterströme verglichen. Wir haben die Funktion hier blau dargestellt und schematisch als separates Schutzrelais eingezeichnet. In der Praxis ist die E-Diff-Funktion mit dem klassischen Differentialschutz in einem Gerät vereint und es werden in Summe 7 Stromeingänge benötigt.

Die Vorteile des E-Diff-Schutzes liegen auf der Hand: Hier müssen weder Stufensteller, Trafoübersetzungsverhältnis oder Schaltgruppe berücksichtigt werden. Die trafotypischen Stabilisierungsmerkmale entfallen. Dadurch kann eine gesteigerte Empfindlichkeit erreicht werden und die geerdete Sternwicklung ist optimal für den Fall von Erdfehlern abgesichert. Die Nullstromelimination des Phasendifferentialschutzes kann ebenfalls entfallen.

Für größere Leistungstransformatoren ab 20 MVA aufwärts, sollte der E-Diff mittlerweile obligatorisch sein. Ist er aber nicht.

HERZliche Grüsse

Euer SCHUTZTECHNIK-TEAM

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