erzlich Willkommen liebe Freunde der Schutz- und Leittechnik! Das erwartungsgemäße Verhalten von Schutzeinrichtungen bereits im Netzmodell zu überprüfen hatte schon immer seinen Reiz, aber auch bekanntlich seine Grenzen. Wieviel Schutzmodellierung geht derzeit wirklich, im Bezug auf Überstrom-Zeit-Schutz? In unserem Gastbeitrag zeigt Euch André Latarius, wie Ihr die rückwärtige Verriegelung mit der Software PowerFactory realisieren könnt.
Viel Spaß beim Lesen, wir übergeben an: André Latarius
Umsetzung Rückwärtige Verrieglung mit PowerFactory
In diesem Beitrag wird gezeigt, dass mit Hilfe der Netzberechnungssoftware PowerFactory Schutzsysteme ausgelegt und deren Selektivität nachgewiesen werden können. Hierfür wird in einem einfachen Beispielnetz die Anwendung des gerichteten UMZ Schutz untersucht, ohne das die Schutzgeräte miteinander kommunizieren. Im zweiten Teil wird dann im identischen Netz noch zusätzlich die Kommunikation der Schutzgeräte untereinander implementiert.
Gerichteter UMZ Schutz
Zur Übersicht ist im Bild 1 das betrachtete Netz und die Einstelldaten der Schutzrelais eingetragen. Die Software ermöglicht es die Schutzgeräte und Wandler nachzubilden und so das Verhalten des Netzes im Fehlerfall zu simulieren.
Ziel soll es im weiterem sein, dass Fehlerorte überall im Netz platziert werden können und die korrekte Auslegung der Relais nachvollzogen werden kann.
Bevor das Schutzsystem untersucht werden kann, müssen alle benötigten Schutzgeräte in das vorhandene Netzmodell integriert werden. Für die betrachtete Beispieluntersuchung wird ein generisches Relaismodell verwendet mit vier möglichen Überstromstufen, wovon aber nur zwei Überstromstufen aktiviert sind, Bild 2.
Prinzipiell kann zwischen zwei verschiedene Berechnungsarten gewählt werden, die einfache Kurzschlussstromberechnung und die schrittweise Kurzschlussstromberechnung.
Bei der einfachen Kurzschlussstromberechnung wird ein Fehler an einer beliebigen Stelle im Netz platziert. Abhängig von den auftretenden Fehlerströmen, berechnet die Software die resultierenden Auslösezeiten, welche aus den Ergebnisboxen abgelesen werden können. Es ist zu erkennen, dass das erste Schutzrelais (Rel 1), wie gewünscht nach 1 s auslöst. Das Gegenüberliegende Relais löst sofort aus. Die Abschaltung des Fehlers erfolgt wie erwartet selektiv.
Vorteil der ersten Berechnung besteht darin, dass für Berichte und ähnliches eine anschauliche Auswertung möglich ist. Zusätzlich kann bestimmten Auslösezeiten eine individuelle Einfärbung zugeordnet werden. Gerade bei komplexeren Netzstrukturen kann die graphische Einfärbung die Nachvollziehbarkeit einer selektiven Auslösung vereinfachen.
Als zweite Berechnungsmöglichkeit wird eine schrittweise Kurzschlussstromberechnung vorgestellt. Sie ermöglicht es, das Schutzschema als Reaktion auf einen Fehler Schritt für Schritt zu untersuchen. Ein neuer Schritt wird immer dann definiert, wenn sich eine Änderung des Netzzustandes ergibt.
Der Vorteil dieser Berechnungsvariante liegt darin, dass die Aufteilung und Größe der Kurzschlussströme nach jeder Auslösung eines Schalters neu berechnet wird. Weiterhin kann eine Toleranz bei der Auslösung angegeben werden, so können beispielsweise Schalterverzögerungszeiten oder Verzögerungen während der Kommunikation und Verarbeitung von Signalen berücksichtigt werden. Für den Fall das ein Schalter blockiert, kann die Auslegung des Reserveschutzes überprüft werden. Dafür ist im Bild 7 der Leistungsschalter 2 blockiert.
Im Bild 8 ist zu erkennen, dass der Leistungsschalter nicht wie gewünscht funktioniert. Das Schutzkonzept sieht vor, dass in diesem Fall der nachgelagerte Leistungsschalter nach einer Verzögerungszeit von 250 ms auslöst. Wie erwartet funktioniert diese Auslösung auch, wie im Bild 8 dargestellt ist.
Kommunikation der UMZ Schutzgeräte
Dem aufmerksamen Leser ist sicher aufgefallen, dass dieses Schutzkonzept bei größeren Netzen erhebliche Nachteile besitzt. So ist es zum einen nicht möglich, kurze Fehlerklärungszeiten zu realisieren und die Anzahl von Fehlerabschnitten in zweiseitig gespeisten Netzen beliebig zu erhöhen ohne das andere Schutzrelais zum Einsatz kommen.
Daher kommt der Kommunikation der Relais eine große Bedeutung zu. Mit ihr ist es möglich, eine rückwärtige Verrieglung von UMZ- Relais zu realisieren und wesentlich größere Netze mit dem vorgestellten Schutzkonzept mit einer geringen Fehlerklärungszeit zu realisieren.
Andrè Latarius
Herr M.Sc. Latarius ist Projektingenieur bei der IEK GmbH. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich der Modellierung und Analyse elektrischer Netze, mit Hinblick auf primär- und sekundärtechnische Themenkomplexe.
Kontakt: andre.latarius@iek-cottbus.de, www.iek-cottbus.de