ERZlich Willkommen liebe Freunde der Schutz-, Leit- und Elektrotechnik. In unserem zweiten Gastbeitrag von Jürgen Blum (A. Eberle GmbH & Co. KG) geht es noch mal um einige Frequenzen nach oben. Wir erhalten einen interessanten Einblick in die Welt der Supraharmonischen bis 150 kHz im Bereich der E-Mobility. Wir übergeben an Jürgen Blum. Los geht's.
Supraharmonische bis 150 kHz bei E-Mobilen
Im ersten Teil der Messkampagne 2016 wurden verschiedene E-Mobile von ihrem Ladeverhalten sowie deren Netzrückwirkungen bewertet. Es wurde von DC bis zur 50. Harmonischen bzw. Supraharmonische bis 20 kHz aus- gewertet. Da einige E-Mobile mit ihrer Taktfrequenz auch im Frequenzbereich weit höher als 20 kHz liegen, wurde eine weitere Messkampagne an der technischen Hochschule Bingen im September 2017 gestartet, um die Emission im Bereich bis 150 kHz zu erfassen. Des Weiteren wurde die gegenseitige Beeinflussung zwischen den verschiedenen Fahrzeugen untersucht sowie auch zwischen dem E-Mobil und einem Solarwechselrichter der TH Bingen.
Grundlage der Bewertung von Rückwirkungen
Für E-Mobile ist die Norm IEC 61851-21-1 (Electric vehicle on-board charger EMC requirements for conductive connection to AC/DC supply) zuständig.
Für E-Mobile gelten aktuell die Grenzwerte für Stromharmonische nach IEC 61000-3-2 (Klasse A) bis 16 A und IEC 61000-3- 12 (unsymmetrische Geräte Rsce = 33) für 16 A bis 75 A. Diese Verträglichkeitspegel finden sich auch in der IEC61851-21-1 identisch wieder. Es gibt Grenzwerte bis zur 40. Stromharmonischen (2 kHz) und Verträglichkeitspegel ab 150 kHz bis 30 MHz. Aktuell gibt es keine Grenzwerte für die Störaussendung von E-Mobilen im Frequenzbereich 2,5 kHz bis 150 kHz. Auch für das öffentliche Netz ist dieser Bereich heute nicht mit Verträglichkeitspegeln geregelt. Es gibt aber aktuell Bestrebungen in den Normgremien, diese Lücke schnellstmöglich mit Verträglichkeitspegeln schließen zu wollen.
Es gibt heute viele Beispiele von gegenseitiger Beeinflussung von verschiedenen elektronischen Geräten. Zum Beispiel sendet ein Frequenzumrichter einer CNC Maschine Störpegel > 2,5 kHz in das Netz aus und ein Küchengerät hat eine Fehlfunktion, oder ein Solarwechselrichter kann Touchdimmerlampen selbstständig ein- und ausschalten. Wer ist nun Schuld an diesem Problem?
Ist das Küchengerät mangelhaft ausgerüstet für die Störfestigkeit oder verursacht die CNC-Maschine an Ihrem Anschluss zu große Störpegel im Netz? Eine faire Regelung kann es nur mit verfügbaren Grenzwerten für diesen Frequenzbereich geben. Eine Abhilfe der Störung könnte man ja auf beiden Seiten bewerkstelligen. Netzfilter am gestörten Gerät installieren oder die Störaussendung des Verursachers verringern. Bei unterschiedlichen Kunden stellt sich dann immer die Frage: „Wer muss für die Kosten aufkommen?“
Im aktuellen Entwurf der IEC61000-2-2 (Verträglichkeitspegel für das öffentliche Netz) wurden Grenzwerte für folgende Bereiche festgelegt:
Der Bereich 30 kHz bis 150 kHz ist in Vorbereitung und wird auch zeitnah mit Verträglichkeitspegeln versehen.
Man unterscheidet in der Norm beabsichtigte Emission (intentional emission) z.B. PLC Signal für Kommunikation und unbeabsichtigte Emission (nonintentional emission).
Energieversorger nutzen für eine Signalübertragung im Energienetz ein Powerlinesignal im Frequenzbereich bis 148 kHz. Damit dieses Signal vom Empfänger eindeutig erkannt werden kann, muss es einen Abstand zwischen unbeabsichtigter Emission von Leistungselektronik, wie von E-Mobilen verursacht, zum PLC-Signal geben. Es wird somit in der Norm zwei Grenzwertkurven geben.
Messtechnik
Heute gibt es nicht viele Power Quality Messgeräte für eine permanente und lückenlose Überwachung für Frequenzen von DC bis 150 kHz. Dies liegt zum einen auch an der fehlenden Festlegung wie man normkonform Pegel > 2,5 kHz bis 150 kHz in Zukunft zu bewerten hat.
Das Messverfahren für den Frequenzbereich 2 kHz bis 9 kHz ist in der Norm für Oberschwingungen, der IEC61000-4-7 im informativen Anhang B beschrieben. Hier verwendet man ein Gruppierungsverfahren über 200 Hz-Frequenzbänder.
Für den Bereich > 9 kHz bis 150 kHz gibt es einen Vorschlag im Anhang der IEC61000-4-30 Ed. 3. Hier wird ein Gruppierungsverfahren über 2 kHz-Bänder vorgeschlagen. Die endgültige Festlegung des Messverfahrens wird aber erst in ein paar Jahren in der zukünftigen Edition 4 der IEC61000-4-30 erfolgen. Zur Diskussion stehen 200 Hz oder 2 kHz-Frequenzbänder. Während ein 200 Hz-Frequenzband eine höhere Auflösung im Spektrum bedeutet, werden 10-fach größere Datenmengen erfasst als mit einem 2 kHz-Frequenzband. Somit hat jedes Verfahren Vor- und auch Nachteile.
Für die Messkampagne an der Technischen Hochschule Bingen wurde die PQ-Box 300 der Firma A. Eberle eingesetzt. Der Power Quality Netzanalysator erfasst Frequenzen von DC bis 170 kHz mit einer hohen Genauigkeit. Das Gruppierungsverfahren des Messgerätes kann für wahlweise 200 Hz oder 2 kHz-Frequenzbänder parametriert werden. Somit können die unterschiedlichen Messergebnisse, welche durch ein unterschiedliches Gruppierungsverfahren entstehen, verifiziert werden.
Für das Laden der verschiedenen E-Mobile standen eine Ladesäule mit einem Typ-2-Ladestecker, sowie div. 32A CEE Steck- dosen und 1~ Steckdosen zur Verfügung.
Die Ladesäule befindet sich im Hochschulnetz und ist mit einem 25 mm²-Kabel angeschlossen; die Kurzschlussleistung an der Ladesäule beträgt ca. 2,5 MVA. In einer Entfernung von ca. 10 m ist ein 5 kW-Wechselrichter einphasig angeschlossen. Der Abstand, d.h. die Länge der Kabelverbindungen zwischen den an die Ladesäule angeschlossenen E-Mobilen betrug in der Regel 10 m, zwei Mal ein Standardladekabel von 5 m.
Messergebnisse
Es wurden folgende E-Mobile bewertet:
🌐 Renault Zoe
🌐 Nissan Leaf
🌐 BMW i3
🌐 Audi e-tron
🌐 VW Golf GTE
🌐 Ford Focus e-lectric
🌐 Mitsubishi Outlander
🌐 Tesla Model 90D
Unter folgenden Konstellationen wurden Messungen durchgeführt:
🌐 E-Mobil alleine im Netz
🌐 E-Mobil parallel mit anderen E-Mobilen
🌐 E-Mobil parallel mit Solarwechselrichter der Technischen Hochschule
Die Taktfrequenzen der gemessenen Fahrzeuge lagen zwischen 8 kHz bis maximal 50 kHz bei den verschiedenen Herstellern.
Des Weiteren gab es große Unterschiede in der Pegelhöhe der Schaltfrequenzen der unterschiedlichen Fahrzeuge. Diese lagen zwischen maximal 2 V bei Fahrzeugen mit schlechten Filtermaßnahmen und großen Störpegeln und nicht messtechnisch erkennbaren Werten bei Fahrzeugen mit extrem kleinem Störpegel.
Bild Nr. 1 zeigt die 2 kHz-Frequenzbänder bis 170 kHz der Spannung. Eine Taktfrequenz von 50 kHz ist an einem E-Mobil deutlich zu erkennen sowie deren Vielfache 100 kHz (2 x 50kHz) und 150 kHz (3 x 50kHz).
Für zukünftige Bewertungen von Verträglichkeitspegeln von E-Mobilen oder anderer Leistungselektronik im Netz, muss das Messverfahren eindeutig festgelegt werden. Vergleicht man z.B. die Messergebnisse von 5 Hz-, 200 Hz- oder 2 kHz-Frequenzbänder miteinander, so fällt auf, dass sich die Resultate in der Pegelhöhe voneinander stark unterscheiden können. Ein breiteres Frequenzband von 2 kHz kommt in der Regel zu einem größeren Messergebnis als ein schmales 200 Hz-Band bei gleichem Störsignal im Netz (siehe Bild 1 und Bild 2 im Vergleich). In einem breiten Frequenzband werden mehrere Spektrallinien quadratisch zu einem Messwert summiert.
Bild Nr. 2 zeigt die identische 50 kHz-Rückwirkung des E-Mobils von Bild Nr. 1. Es wurde jeweils nur das Gruppierungsver- fahren im Messgerät von 2 kHz-Bänder auf 200 Hz-Bänder umgestellt.
Gegenseitige Beeinflussung von E-Mobilen
Während der Messkampagne wurden auch verschiedene E-Mobile parallel geladen, um die gegenseitige Beeinflussung der Fahrzeuge untereinander bewerten zu können.
Anschlusskonstellation 1: E-Mobil Nr. 1 alleine im Netz
Das Fahrzeug wird einphasig auf Phase L3 geladen. Im Bild erkennt man die Spannungen L1, L2, L3 und den Ladestrom I3 des
E-Mobils. Keine großen Rückwirkungen auf dem Strom sind zu erkennen. Die Schaltfrequenz dieses Fahrzeugs lag bei 50 kHz.
Anschlusskonstellation 2: Das E-Mobil Nr. 1 ist an der Steckdose angeschlossen und das E-Mobil Nr. 2 an der Ladesäule über Typ-2 Stecker parallel adaptiert.
Folgendes Bild Nr. 4 zeigt eine deutliche Veränderung der Stromaufnahme von E-Mobil Nr. 1 durch die Rückwirkungen von E-Mobil Nr. 2. Der Effektivwert ist nahezu unverändert, jedoch finden sich auf dem Ladestrom große Pegel der Schaltfrequenz von Fahrzeug Nr. 2 wieder.
Das Fahrzeug Nr. 1 ist im Netz somit die Störsenke für die Supraharmonischen des Nachbarfahrzeuges. In diesem Beispiel eine 10 kHz Schaltfrequenz, welche gering auf der Spannung und extrem markant auf dem Strom zu sehen ist.
Es gibt Berichte aus der Praxis, dass es zu sporadischen Ladeabbrüchen kommen kann, wenn verschiedene unterschiedliche E-Mobile parallel geladen werden.
Weitere Auffälligkeiten
Fast alle Fahrzeuge, welche 1-phasig geladen wurden, haben dies über die Phase L1 durchgeführt. Nur ein Fahrzeug nutzte einphasig die Leitung L3. Dies kann später bei größerer Fahrzeugdichte in einem Versorgungsnetz ein echtes Problem für die Überlastung der Phase L1 im Netz bedeuten.
Des Weiteren ergibt sich an den Netzausläufern eine große Netzunsymmetrie. Auch einige Fahrzeuge, welche anfangs zwar 3-phasig ~ geladen wurden, stellten gegen Ende selbstständig auf eine einphasige Ladung um. Auch dies wurde dann in der Regel über die Phase L1 durchgeführt.
In den technischen Regeln für den Anschluss von Kundenanlagen an das Niederspannungsnetz vom Energieversorgungsunter- nehmen (VDE-AR 4100) ist die maximale Anschlussleistung für einphasige Verbraucher auf <= 4,6 kVA begrenzt. Elektrische Verbraucher oder Erzeugungsanlagen > 4,6 kVA sind zwingend dreiphasig anzuschließen. Somit dürften einige der E-Mobile aus der Messkampagne mit einer maximalen Anschlussleistung von bis zu 7,2 kVA nicht einphasig betrieben werden.
Beispiel: E-Mobil mit 30 A Ladestrom 1~ auf L1
Hörbare Störeffekte und Summation bei E-Mobilen mit gleicher Schaltfrequenz
Ein E-Mobil mit einer markanten Schaltfrequenz von 10 kHz während des Ladevorganges war deutlich hörbar für das menschliche Ohr in diesem Frequenzbereich. Es wurden zwei Fahrzeuge gleichen Typs parallel geladen und die Summation der Schaltfrequenz im Netz sowie die hörbare Störung bewertet.
Da die Schaltfrequenz beider Fahrzeuge nicht exakt bei 10 kHz steht, sondern leicht um die 10 kHz wobbelt, schwankte der Pegel der Netzrückwirkung zwischen minimal 1 V und maximal 2 V. Ein Fahrzeug alleine lag bei einer konstanten Rückwirkung von ca. 1,4 V. Beide Schaltfrequenzen konnten sich also über die Zeit addieren und auch teilweise gegenseitig kompensieren, je nach momentaner Phasenlage der Frequenzen zueinander.
Stand man während des Ladevorganges genau zwischen den beiden Fahrzeugen, so schwankte auch der wahrnehmbare Pfeifton in der Intensität der Lautstärke. In einem Fall aus der Praxis störten einige Fahrzeuge gleichen Herstellers ein an mehrere Ladesäulen angrenzendes Bürogebäude so stark, dass man die Fenster des unteren Stockwerkes während der Bürozeiten nicht mehr öffnen konnte (Grund: Geräuschbelästigung).
Bild 6 zeigt die 10 kHz-Taktfrequenz von zwei E-Mobilen gleichen Typs und 16 kHz der Solaranlage der TH Bingen. Die Amplitude der Schaltfrequenz der beiden E-Mobile schwankte in den Messwerten zwischen 1 V und 2 V mit einer Frequenz von ca. 0,5 Hz.
Gegenseitige Beeinflussung von E-Mobilen und Solarwechselrichter
Folgendes Bild zeigt die Netzvorbelastung mit einem Wechselrichter einer Solaranlage. Man erkennt die Taktfrequenz von 16 kHz und deren Vielfache mit 32 kHz; 48 kHz ...
Nun wurde ein E-Mobil an die Ladestation angeschlossen. Im Netz erkennt man nun deutlich die 10 kHz Schaltfrequenz des Fahrzeuges mit 1,6 V. Der 16 kHz-Pegel der Solarwechselrichter wurde aber von 1,4 V auf 0,7 V auf 50 % reduziert.
Resümee
E-Mobile und modere Leistungselektronik können Netzrückwirkungen weit oberhalb von 2,5 kHz erzeugen. Für diese Frequenzen wird es in Zukunft Verträglichkeitspegel für das öffentliche Netz geben. Das Messverfahren hierfür ist heute noch nicht festgelegt. Die PQ-Box 300 von A. Eberle erfasst den Bereich bis 170 kHz für eine permanente Messaufgabe. Das Messgerät ist für 200 Hz und 2k Hz Frequenzbänder frei einstellbar und deshalb für zukünftige Normänderungen gewappnet. Des Weitern ist es möglich für die Aufzeichnung ein abweichendes Messverfahren als für die parallele Onlinemessung zu wählen.
Beispiel: Permanente Messung der 2 kHz-Bänder und parallel 200 Hz-Bänder für die Onlinebeobachtung eines Verbrauchers. Der Netzanalysator verwendet ein nicht lückendes Messverfahren, als Basis für die Berechnung der FFT Analyse.
Jürgen Blum
Produktmanager Power Quality A. Eberle GmbH & Co. KG
HERZliche Grüsse