ERZlich Willkommen liebe Freunde der Schutz-, Leit- und Elektrotechnik zu unserem neuen Gastbeitrag von Roland Bürger (MBS AG) und Jens Schübel (PQ Plus), diesmal zum Thema Spannungswandler und Sensoren zur PQ-Messung. Los geht's!
Einleitung
Eine verlässliche Energieversorgung ist für viele Unternehmen mittlerweile zu einem wichtigen Standortfaktor geworden. Während in der Vergangenheit Netzausfälle und Spannungsschwankungen zu den wichtigsten Parametern der Versorgungsqualität zählten, gewinnen Spannungstransienten oder Spannungsoberschwingungen immer mehr an Bedeutung. Dies ist auf vor allem auf die immer größer werdende Anzahl an nicht-linearen Verbrauchern und vielen dezentral angebundenen regenerativen Energieträger zurückzuführen.
Um in Europa einheitliche Standards für die Elektroenergieversorgung zu gewährleisten, werden die Mindestanforderungen an die Spannungsqualität in einer europäischen Norm definiert. Dies ist die EN 50160, welche die Überschrift
„Merkmale der Spannung in öffentlichen Elektrizitätsversorgungsnetzen“
trägt. Diese Norm ist als Produktnorm für elektrische Energie zu verstehen und wird aus diesem Grund auch in Stromlieferverträgen als geltende Produktnorm herangezogen. Im Februar 2014 hat der Bundesgerichtshof unmissverständlich klargestellt, dass auch die Elektrizität dem Produkthaftungsgesetz unterworfen ist. Damit haftet der Verteilnetzbetreiber für Schäden an elektrischen Verbrauchern, die auf eine mangelhafte Spannungsqualität seitens des Verteilnetzbetreibers zurückzuführen sind. Viele Messgerätehersteller bieten mittlerweile aus diesem Grund Messgeräte, die automatisierte Qualitätsreports gemäß der EN 50160 aufbereiten. Auch digitale Zähler bieten immer öfter auch Power Quality Funktionen gem. der EN 50160. Während die Messgeräte in der Niederspannung die Spannung direkt verarbeiten können, sind wir in der Mittelspannung auf Spannungswandler bzw. Spannungssensoren angewiesen. Meist wird an älteren Anlagen die Spannungsqualität gemessen. Die verbauten Spannungswandler geben auf dem Leistungsschild aber in der Regel keinen Hinweis auf das Übertragungsverhalten bei höheren Frequenzen. Die Geräte sind lediglich für die 50 Hz Grundschwingung der Netze spezifiziert. Messungen gemäß der EN 50160 erfordern aber einen Frequenzbereich bis 2 kHz. Wir wollen der Frage nachgehen, ob die vorhandenen Geräte für Messungen bis 2 kHz geeignet sind.
Bei den verbauten Spannungswandlern handelt sich fast ausnahmslos um induktive Wandler, die nach dem transformatorischen Prinzip arbeiten.
Im Detail besteht die Primärspule nicht nur aus induktiv wirkenden Kupferwindungen, sondern es ergeben sich auch Kapazitäten durch die einzelnen voneinander isolierten Lagen. Auch die Kapazitäten zwischen den einzelnen Windungen tragen zu der Gesamtkapazität der Primärspule bei. Somit ergibt sich ein Schwingkreis aus Induktivität, Kapazität und ohmschem Widerstand, der auch eine entsprechende Resonanzfrequenz aufweisen muss.
Um diese Resonanzfrequenz zu finden, wird nun ein handelsüblicher 10 kV Spannungswandler im „frequency sweep Verfahren“ mit 6.400 Messpunkten bis 10 kHz durchgefahren.
Wir sind fündig geworden!
Bei ca. 6 kHz ist eine Resonanzstelle erkennbar. Während der Wandler bis ca. 5 kHz annehmbar das Primärsignal überträgt, ergibt sich bei ca. 6 kHz ein Amplitudenfehler von ca. 100 % und ein Phasenfehler von 87 °. Eine verlässliche PQ-Analyse bis z. B. 9 kHz kann daher mit diesem Spannungswandler nicht durchgeführt werden.
Es gibt trotz der normativ geregelten Spannungsebenen bei jedem Wandlerhersteller eine Vielzahl von verschiedenen Wandlern mit unterschiedlichen Primärspulen, um die verschiedensten Sekundärkonfigurationen seitens des Kunden erfüllen zu können. Diese Wandler sind bereits ausgeliefert und in Messfeldern verbaut worden. Der Hersteller kann lediglich in Verbindung mit den archivierten Fertigungsunterlagen eine grobe Berechnung der ersten Resonanzstelle durchführen. Oftmals kann die in der Praxis gemessene Resonanzstelle aber um einige kHz von dem Berechnungsresultat abweichen. Für die Wandlerhersteller ist es daher sehr schwierig, belastbare Aussagen für bereits ausgelieferte Geräte zu treffen.
Eine gute Hilfestellung bietet den Messstellenbetreibern ein Beitrag der technisch-wissenschaftlichen Organisation CIGRE / CIRED. Hier wurde eine Richtlinie für Power Quality Messungen veröffentlicht, die bezüglich des Frequenzübertragungsverhaltens von Spannungswandlern eine aussagekräftige Tabelle bereitstellt.
Es ist ersichtlich, dass generell 10 kV Spannungswandler bis zur 50. Oberschwingung (2,5 kHz) für PQ-Messungen verwendbar sind. Diese Aussage deckt sich mit unserem Messergebnis in Abbildung 3.
Im 20 kV Bereich sind gemäß der Tabelle aber bereits Geräte gefunden worden, die ab der 21. Oberschwingung keine verlässlichen Messwerte auf der Sekundärseite bereitstellen. Im 30 kV Bereich ist sogar eine pauschale Freigabe lediglich bis zur 7. Oberschwingung erfolgt. Wir konstatieren, dass für verlässliche EN 50160 Messungen ausschließlich 10 kV Spannungswandler in Bestandsanlagen verwendet werden können. In den Spannungsebenen 20 und 30 kV muss eine Auskunft seitens des Wandlerherstellers erfolgen.
Weiterhin stellt sich die Frage, ob Messungen bis 2 kHz noch ausreichend sind. Wie in dem Fachbeitrag „Power Quality Messungen im Niederspannungsnetz – Best Practice“ deutlich wurde, sind bereits Strommessungen bis 9 kHz zum Standard erklärt worden. Für Spannungsmessungen gilt für das EVU aber weiterhin die EN 50160, so dass normativ eine Spannungsmessung bis 2 kHz ausreichend wäre. Wenn das Messgerät aber bereits hohe Abtastraten besitzt und eine Oberschwingungsauswertung bis 9 kHz ermöglicht, wäre eine verlässliche Spannungsmessung bis 9 kHz ebenfalls wünschenswert.
Die MBS AG bietet daher für den Messbereich bis 9 kHz frequenzoptimierte Spannungswandler bis 24 kV. Die Genauigkeitsanforderung für diese Wandler wird in der IEC 61869-6 definiert. Der Amplituden- bzw. Phasenfehler gestalten sich wie folgt.
Der Wandler hält bis ca. 8 kHz die Klasse 0,5. Ab 8 kHz wird Klasse 1 noch deutlich gehalten. Diese Spannungswandler ermöglichen somit eine verlässliche PQ-Messung bis 9 kHz und sind wie alle anderen Mittelspannungswandler von der MBS AG ebenfalls SF6-frei.
Bereits heute zeichnen sich Tendenzen ab, dass zukünftig auch in der Mittelspannung eine PQ-Messung bis 150 kHz erfolgen könnte. Geltende Normen für das Niederspannungsnetz definieren bereits Grenzpegel bis 150 kHz. Auch die aktuellen mobilen PQ-Analysatoren messen bis mindestens 150 kHz, was für eine umfangreiche Störanalyse durchaus erforderlich sein kann. Normativ wird dieser Frequenzbereich in der aktuellen DIN EN 61000-2-2:2020-05 Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) – Teil 2-2 genannt. Während diese Norm ausschließlich Bezug auf öffentliche Niederspannungsnetze nimmt, wird aber bereits im Normausschuss der EN 50160 ebenfalls über Messwerte bis 150 kHz diskutiert. Im aktuellen Entwurf finden sich bereits Hinweise auf Normwerte bis 150 kHz. Aus jetziger Sicht könnte es daher sinnvoll sein, PQ-Messungen bis 150 kHz zumindest einzuplanen, um teuren Retrofit-Maßnahmen entgegen zu wirken. Die PQ-Beauftragten der EVUs wären sicherlich dankbar.
Mit induktiven Spannungswandlern ist der Bereich bis 150 kHz technisch nicht darstellbar. Die erste Resonanzstelle kann bei 24 kV Geräten lediglich in den Bereich von 10 bis 20 kHz geschoben werden. Eine Alternative bieten Spannungssensoren, die auf dem Prinzip des Spannungsteilers aufbauen. Zur Erinnerung sei hier noch einmal das Grundprinzip dargestellt.
Bereits heute werden Spannungssensoren hauptsächlich in bestehenden Ortsnetzstationen verbaut, die eine zusätzliche Spannungsmessung auf der Mittelspannungsseite erfordern. Messfelder mit herkömmlichen induktiven Spannungswandlern können aus Platzgründen nur in seltenen Fällen nachträglich verbaut werden. Eine bewährte Methode ist es, Sensoren in so genannte T-Stecker zu montieren. Diese Lösung ist platzsparend und die Montage erfolgt durch geübtes Personal in einem angemessenen Zeitfenster. Während der Konus des symmetrischen Steckers gem. der IEC 50181 genormt ist, weist der Konus des Kompakt-T-Steckers je nach Hersteller leicht unterschiedliche Maße auf. Der für den Kompakt-T-Stecker vorgesehene Spannungssensor VAPxx-S kann aber durch seinen patentierten Aufbau in den leicht unterschiedlich ausgeführten T-Steckern aller namhaften Hersteller verwendet werden, ohne Teilentladungen befürchten zu müssen. Für den neuartigen Kompakt-T-Stecker von Nexans (480 TB) gibt es bereits auch den passenden Sensor mit dem VCPxx-S.
Auch für luftisolierte Schaltanlagen bzw. Messfelder gibt es bei der MBS AG einen Sensor, der bereits in Neuanlagen wie auch bei Nachrüstungen Verwendung findet.
Während die Genauigkeitsklasse bei 50 Hz auf jedem Leistungsschild der Sensoren vermerkt und somit durch den Hersteller verantwortet wird, werden für Messungen jenseits der 50 Hz oftmals keine Protokolle bzw. belastbare Aussagen seitens der Hersteller bereitgestellt. Im Markt wird von den Endanwendern oft das Vorurteil vernommen, dass ohmsche Teiler Oberschwingungen generell sehr gut übertragen können. Dies soll im Folgenden untersucht werden.
Ein ohmscher Teiler besteht grundsätzlich aus zwei nahezu ohmschen Widerständen, doch diese Widerstände besitzen immer parasitäre induktive und kapazitive Anteile. Auch bildet sich um den Hochspannungswiderstand eine Kapazität, so dass in der Fachliteratur nicht von ohmschen Teilern, sondern von ohmsch-kapazitiven Teilern gesprochen wird.
Wie in den Prinzipschaltbildern erkenntlich, muss die Primärkapazität ebenfalls auf der Sekundärseite abgeglichen werden. Um hochpräzise Sensoren herstellen zu können, ist ebenfalls ein Ablgleichnetzwerk im Sensor nötig, durch das nach dem Verguss ein Feinabgleich vorgenommen werden kann. Dieses besteht aber ausschließlich aus passiven elektronischen Bauelementen.
Es stellt sich nun die Frage, ob ohmsch-kapazitive Sensoren in der Mittelspannung ohne weiteres für PQ-Messungen eingesetzt werden können. In der folgenden Abbildung sind von einem Wettbewerber und ein MBS eigener 50 Hz-Sensor von 50 bis 150 kHz bezüglich Amplituden- und Phasenfehler vermessen worden.
Amplitudenfehler luftisolierter Spannungssensor
Beide Sensoren verletzen die Minimalanforderungen der Klasse1 für PQ-Messungen gem. der IEC 61869-6. Für ein optimalesÜbertragungsverhalten muss das Abgleichnetzwerk ebenfalls für höhere Frequenzenoptimiert werden. Die MBS AG kann aktuell Spannungssensoren für T-Stecker undfür luftisolierte Anlagen mit einem optimierten Übertragungsverhalten bis 150kHz bereitstellen.
Für PQ-Messungen sind frequenzoptimierte Sensoren unbedingt erforderlich, um die Mindestanforderung (Kl. 1 gem. IEC 61869-6) einhalten zu können. Übertragungskurven aus aktuellen Kundenprojekten sind in den folgenden Abbildungen dargestellt.
Die Spannungssensoren werden in der Regel mit entsprechenden Stromsensoren verbaut. Anders als herkömmliche Stromwandler wird auf der Sekundärseite ein Spannungssignal ausgegeben.
Die MBS AG bietet spezielle Stromsensoren, die von den Abmessungen perfekt für die Montage an den üblichen T-Steckern vorgesehen sind
Bei der Auswahl des Messgerätes ist zu beachten, dass die hier angesprochenen Spannungssensoren auf der Sekundärseite maximal 10 Volt bereitstellen können. In Deutschland hat sich bereits der Standard 3,25/√3 V etabliert. Bei den Stromsensoren werden in der Regel 225 oder 333 mV verwendet. Im Gegensatz zu den traditionell induktiven Geräten (100/√3 V bzw. 1/5 A Ausgänge) sind sogenannte Kleinsignaleingänge am Messgerät unbedingt erforderlich. Während die Eingangsimpedanz bei den Stromsensoreingängen lediglich einen Wert größer 20 kOhm aufweisen muss, werden die Spannungssensoren genau auf die Eingangsimpedanz des Messgerätes nebst Anschlusskabellänge abgestimmt. Ein nachträglicher Austausch des Messgerätes bzw. die Parallelschaltung eines zweiten Messgerätes ist oftmals nicht möglich, weil der Spannungssensor lediglich auf eine bestimmte Bebürdung abgeglichen wird.
Während in anderen Ländern bereits im großen Stil Ortsnetzstationen mit Messungen auf der Mittelspannungsseite ertüchtigt werden, hinkt Deutschland dieser Entwicklung noch etwas hinterher. Da es keine einheitliche Konfiguration der Ortsnetzstationen in Deutschland gibt, sind bei ersten Retrofitmaßnahmen lediglich Spannungs- oder Stromsensoren nachgerüstet worden. Die Messgeräte sollten gemäß den CAT IV Isolationsbestimmungen ausgeführt sein. Ein derzeit immer öfter verwendetes Universalmessgerät ist das UMD 710MVU von PQ Plus.
Neben den erforderlichen Sensor-Messeingängen für Spannungssensoren verfügt das Gerät ebenfalls über eine optionale FFT-Analyse bis 9 kHz. Die Spannungssensoren sehen eine Eingangsimpedanz von 200 kOhm am Messgerät. Dieser Wert muss neben der benötigten Kabellänge dem Sensorhersteller mitgeteilt werden. Die Sensoren werden im Werk genau auf diese Konfiguration abgeglichen. Ein flexibler Bürdenbereich wie bei herkömmlichen Spannungswandlern ist nicht möglich. Hierzu wäre eine aktive Elektronik auf der Sensorseite erforderlich, die die Lebensdauer von Sensoren deutlich verkürzen kann. Die MBS AG hat sich daher entschieden ausschließlich passive Sensoren anzubieten, die für eine Lebensdauer von ca. 30 Jahren ausgelegt sind.
Während der 24-kV Bereich durch die drei T-Stecker-Sensoren gut abgedeckt wird, befindet sich eine 36 kV Variante noch in der Entwicklung.
Auch hier ist eine frequenzoptimierte Version geplant, umPQ-Messungen bis 150 kHz durchführen zu können. Neben einer guten Übertragung bis 9 oder 150 kHz sollte bei Spannungssensoren auf folgende Punkte geachtet werden:
🌐 Beständigkeit gegen Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen über die komplette Lebensdauer
🌐 Die Sensoren sollten einen möglichst großen Arbeits- und Lagertemperaturbereich aufweisen
🌐 Die Sechskant-Mutter sollte aus Metall sein, da bei reiner Gießharzausführung eine Abnutzung oder Beschädigung bei höheren Anzugsdrehmomenten auftreten kann
🌐 Die Bauhöhe sollte so klein wie möglich sein, damit die Tür der Schaltanlage noch vorschriftsmäßig geschlossen werden kann.
🌐 Der Hersteller sollte die Beständigkeit der Sensoren gegenüber Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen über die komplette Lebensdauer garantieren können
🌐 Hilfreich wäre auch der unbeschadete Verbleib der Spannungssensoren in den T-Steckern bei der VLF Kabelprüfung.
🌐 Die Sensoren sollten rein passiv ausgeführt sein, um die Lebenszykluskosten gering zu halten.
Autoren: Roland Bürger (MBS AG), Jens Schübel (PQ Plus)
HERZliche Grüsse
Euer SCHUTZTECHNIK Team
[1] https://www.juracademy.de/rechtsprechung/article/produkthaftung-fuer-elektrizitaet-des-netzbetreibers-bei-ueberspannungsschaeden