ERZlich Willkommen liebe Freunde der Schutz-, Leit- und Elektrotechnik. In unserem aktuellen Videobeitrag stellt uns Marco Pfannenstiel / Stromnetz Hamburg das Projekt "Umspannwerk 2030" vor, in welchem auch ein IEC61850-Prozessbus-System im Bereich der 110 kV und 10 kV-Ebene geplant ist. Viel Spaß beim Lesen und Sehen, wir übergeben!
UW 2030
Im Projekt Umspannwerk 2030 (UW2030) wird ein neuer Standard für Umspannwerke der Stromnetz Hamburg mit Blick auf die Anforderungen im Jahr 2030 und darüber hinaus erarbeitet. Hierfür werden innovative Entwicklungen aus den Bereichen Primär- und Sekundärtechnik, Netzführung und Konstruktion aufgegriffen und unter Berücksichtigung von Praxistauglichkeit, Aufwand und Nutzen bewertet.
Die Projektplanung sieht vor, im Jahr 2021 mit dem Bau einer Pilotanlage zu beginnen, die im Jahr 2023 fertiggestellt werden soll. Die finale Version des zukünftigen Standards wird auf Basis der aus dem Testbetrieb der Pilotanlage gewonnen Erkenntnisse erarbeitet und berücksichtigt neben der Integration innovativer Ansätze auch die Fortführung bewährter Prozesse.
Im Bereich Sekundärtechnik soll im Rahmen des Projektes der Kommunikations- und Engineerings- und Prüfstandard IEC 61850 für die gesamte Sekundäranlage zukünftiger UW's eingeführt werden. Hierbei werden insbesondere die folgenden Zielstellungen verfolgt:
🌐 Nutzung eines Prozessbus-Systems nach der IEC 61850 auf der 110- und 10-kV-Ebene
🌐 Evaluierung des Einsatzes von nicht-konventionellen Wandlern in der 110-kV-Ebene
🌐 Erarbeitung von neuen Prüf- und Inbetriebnahmekonzepten
🌐 Aufbau eines informationssicherheits-konformen und praktikablen Fernwartungskonzeptes
🌐 Evaluierung der Möglichkeiten von Fernprüfung und Fernparametrierung
🌐 Teilzentralisierung von Schutz- und Leittechnik-Funktionen in der 10-kV-Ebene
Insbesondere wurden für die Konzepterstellung die folgenden übergeordneten Zielsetzungen berücksichtigt:
🌐 Kurz- bis mittelfristige Verringerung von Investitionskosten (CAPEX)
🌐 Reduktion der bisherigen operativen Aufwendungen (OPEX) über die Gesamtlaufzeit (Life-Cycle-Costs, LCC) der Anlage
🌐 Erstellung eines herstellerunabhängigen Konzeptes
🌐 Berücksichtigung der aktuellen Anforderungen hinsichtlich der Infomationssicherheit
Das folgende Video der Omicron Anwendertagung aus dem Jahr 2020 stellt das im Projekt erarbeitete Grobkonzept vor.
Im Anschluss an die Grobkonzept-Phase wurde im Projektteam ein Feinkonzept erstellt, das die Grundlage für die EU-Ausschreibung des Baus der Pilotanlage bildet.
Für die Feinkonzept-Erstellung wurde unterstützend der im Video vorgestellte IEC 61850 Prüfplatz genutzt, der zu diesem Zweck erweitert wurde, um repräsentativ einzelne Anlagenteile in skalierter Form abzubilden. Der Einsatz des Prüfplatzes hat sich insgesamt als notwendige Unterstützung erwiesen.
Die folgenden Aspekte des Grobkonzeptes wurden im Feinkonzept beibehalten und verfeinert:
🌐 Ankopplung sämtlicher Signale direkt am Prozess über spezielle IEDs (Process Interface Units- PIUs)
🌐 Übergeordnete Zusammenfassung von Schutz- und Steuerungsfunktionalitäten in eigenen IEDs (Bay Protection & Control Units- BPCUs)
🌐 Teilzentralisierung von Schutz- und Steuerungsfunktionalitäten von mehreren 10-kV-Abzweigen in einem IED (zentrale BPCU)
🌐 Beibehaltung der Netzwerktopologie aus dem Grobkonzept:
◦ Stationsbus in mehreren RSTP-Ringen
◦ Prozessbus über PRP, mit Redundanz-Erweiterungen über RSTP
◦ Management/Service-Bus
🌐 Erweiterung der Netzwerktopologie um VLAN-Nutzung
In weiteren Aspekten wurden Anpassungen umgesetzt:
🌐 Die BPCUs werden in verschließbaren 19-Zoll-Schränken und nicht auf Rollracks eingebaut.
🌐 Die LWL-Infrastruktur wird nicht als Ringstruktur ausgeführt. Hier wurde sich für eine Sternstruktur mit zentralem Patchschrank entschieden.
🌐 Für die werksinternen LWL-Verbindungen wurde sich für MPO-Technologie (Multipath Push-On, mehrere LWL-Fasern in einem Kabel mit mehrpoligem Stecker) entschieden.
Die EU-Ausschreibung zur Realisierung der Pilotanlage wurde im April 2021 gestartet. In der Zwischenzeit werden im Projekt das IEC 61850 Datenmodell (nach dem Top-Down Ansatz) der Anlage finalisiert sowie weitere Prüfungen durchgeführt. Gemäß Terminplanung soll in 2022 mit dem Bau der Anlage begonnen werden.