ERZlich Willkommen liebe Freunde der Schutz- und Leittechnik, in unserem neuen Gastbeitrag erklärt Herr Roland Bürger von der MBS AG die Auswirkungen des Phasenfehlers von Stromwandlern auf die Energiemessung. Los geht's!
Einleitung
Maßgeblich für die Qualität der Verrechnungsmessung von elektrischer Energie ist nicht nur der prozentuale Amplitudenfehler von Strom und Spannungswandlern (1). Auch die korrekte zeitliche Übergabe der Strom- und Spannungssignale (Phasenfehler) der eingesetzten Wandler ist für eine qualitativ hochwertige Energiemessung von Bedeutung. Wie sich der Phasenfehler der eingesetzten Wandler auf die Energiemessung auswirkt soll im Folgenden untersucht werden.
Die Phasendifferenz zwischen den Primär- und Sekundärvektoren ist für den perfekten Wandler gleich Null. Die Phasenverschiebung wird als positiv bezeichnet, wenn der Sekundärvektor dem Primärvektor vorauseilt. Der Phasenfehler für induktive Stromwandler wird zumeist in Minuten angegeben. Die gültigen Genauigkeitsklassen von Stromwandlern der relevanten DIN EN 61869-2 sind wie folgt definiert.
Die S-Klassen sind hinsichtlich der erlaubten Phasen- und Übersetzungsfehler noch etwas restriktiver gefasst und gleichzeitig um die Aussteuerung von 1 Prozent vom Nennstrom erweitert.
Die folgende Abbildung zeigt die Phasenfehler für einen induktiven Stromwandler in Klasse 0,5 S bei einer Aussteuerung von 1 bis 150 Prozent des Nennstroms.
Es ist zu erkennen, dass der Wandler bei 2,5 VA die Klasse 0,5 S nicht hält. Erst ab 1,25 VA wird die Klasse erfüllt.
Um ein Gefühl für die Auswirkungen bei der Energiemessung zu bekommen, stellt sich die Frage inwieweit der zeitliche Versatz der Primärgrößen Strom und Spannung Einfluss auf die Auswirkungen des Phasenfehlers des Stromwandlers bei der Wirkleistungsmessung nimmt. Im Idealfall handelt es sich beim Strom wie auch bei der Spannung um Sinus-Schwingungen. Es liegt der Verdacht nahe, dass es nicht unerheblich ist, wenn der zu messende Strom der Spannung vor- bzw. nacheilt.
Letztendlich wird der Phasenversatz von Strom und Spannung im elektrischen Versorgungssystem durch den so genannten Leistungsfaktor charakterisiert. Bei konstant angenommener Versorgungsspannung bestimmt die angeschlossene Last über die aufgenommene Leistung und damit über die Phasenlage des Stroms.
Der Leistungsfaktor ist das Verhältnis vom Betrag der Wirkleistung P zur Scheinleistung S und gibt bei sinusförmigen Größen über die dezimalisierte Zahlenskala von 0 bis 1 das trigonometrische Verhältnis zwischen der Wirkleistung und der Scheinleistung an. (3) (4)
Bei sinusförmigen Strömen und Spannungen ist ebenfalls der Wirkfaktor aus dem Verhältnis P⁄S definiert. Er ist gleich dem Kosinus des Phasenverschiebungswinkels φ
Die Darstellung in der komplexen Ebene veranschaulicht die Zusammenhänge.
In dem folgenden Diagramm wird deutlich, dass es aufgrund der Kosinus-Funktion keinen linearen Zusammenhang zwischen der Phasenverschiebung und dem resultierenden Wirkfaktor gibt.
Die vorangestellte Vermutung ist also eindeutig zu beantworten. Der Einfluss des Stromwandler-Phasenfehlers auf die Energiemessung ist abhängig von dem Phasenversatz zwischen den beiden Primärgrößen Strom und Spannung. Der Phasenfehler des Stromwandlers führt dementsprechend zu einer Zunahme des Leistungsfaktorfehlers in Abhängigkeit vom Punkt auf der Kurve.
Nehmen wir zunächst an, dass die beiden Primärgrößen keinen Phasenversatz aufweisen. Dementsprechend ergibt sich ein Leistungsfaktor von 1.
Ergibt sich jetzt aufgrund des Phasenfehlers des Stromwandlers ein Phasenversatz zwischen Strom- und Spannungssignal auf der Sekundärseite, weist die im Zähler errechnete Leistungskurve negative Anteile auf. Es wird nun neben der Wirkleistung auch Blindleistung gemessen.
In der obigen Abbildung eilt der Strom der Spannung nach. Bei 0, 10 und 20 ms auf der Zeitachse sind die jeweiligen Blindleistungsanteile grau eingefärbt. Der Effektivwert der Wirkleistung hat sich verringert. Das folgende Diagramm gibt Auskunft über die prozentuale Minderung der Wirkleistung in Bezug auf den Stromwandler-Phasenfehler
Deutlich erkennbar ist, dass ein Phasenfehler des Stromwandlers unter 50 Minuten einen nur geringen Einfluss auf die Energiemessung nimmt. Bei 360 Minuten, also 6 Grad, wird der Einfluss schon etwas größer. Hier beträgt der prozentuale Fehler in der Energiemessung 0,54 Prozent.
Die genauen Werte für übliche Fehlergrenzwerte sind in der folgenden Tabelle aufgelistet.
Oftmals ist der Leistungsfaktor in der Praxis aber ungleich 1 und liegt zwischen 0,9 und 1. Bei Verlustleistungsmessungen von Transformatoren können sogar Leistungsfaktoren von 0,1 erreicht werden. Über den Einfluss des Phasenfehlers auf die Wirkleistungsmessung in Abhängigkeit vom Leistungsfaktor gibt folgendes Diagramm Aufschluss.
Offenkundig steigt der durch den Phasenfehler des Stromwandlers verursachte prozentuale Fehler bei der Wirkleistungsmessung in einem System mit größerem Phasenversatz (kleinerer Wirkfaktor) deutlich an. Dabei sind die Strom- und Spannungskurve als Sinus-Schwingung angenommen.
Da die Stromkurven in der Praxis aber oftmals einen hohen Anteil von Oberschwingungen beinhalten, sind die Kurven meist deutlich verzerrt und weisen mitunter steile Flanken auf. Es ist wahrscheinlich, dass nicht-sinusförmige Kurven wie auch der Leistungsfaktor Einfluss auf die Auswirkung des Stromwandler-Phasenfehlers nehmen. Um diesen Sachverhalt genauer zu untersuchen wird als Beispiel folgender Kurvenverlauf angenommen.
Unter der Annahme, dass der Stromwandler alle Oberschwingungen übertragen kann, ergibt sich für die verschiedenen Stromwandler-Phasenfehler folgendes Diagramm.
Es kann geschlussfolgert werden, dass nicht nur der Leistungsfaktor erheblichen Einfluss auf die Auswirkungen des Stromwandler-Phasenfehlers bezüglich der Wirkleistungsmessung nimmt. Die Kurvenform des primären Stromsignals kann ebenfalls auf die Genauigkeit der Wirkleistungsmessung einwirken. Für Stromwandler bis Klasse 0,5 ergeben sich augenscheinlich moderate Fehler im Leistungsfaktorbereich von 1 bis 0,9. Trotzdem verursacht der Stromwandler mit 30 min Phasenfehler bereits einen Fehler in der Wirkleistungsmessung von 0,46 % bei einem Leistungsfaktor von 0,9. Bei größeren Wirkleistungen können hierbei aber schon beträchtliche Beträge anfallen. (1)
Es kann konstatiert werden, dass der Stromwandler für Verrechnungsmessungen grundsätzlich einen geringen Phasenfehler aufweisen sollte, da oftmals der Leistungsfaktor und die tatsächlichen Stromkurven nicht bekannt sind.
Literaturverzeichnis
1. MBS AG. Infobrief Nr. 1 - Verrechnungsmessung mit Strom- und Spannungswandlern. Sulzbach-Laufen : MBS AG, 2019. MBS IDNR 8.4.0460/100/12-2019.
2. DIN EN 61869-2. [Hrsg.] VDE Verlag.
3. DIN 40110-1:1994-03. [Hrsg.] VDE Verlag
4. IEC 60050-192:2015. [Hrsg.] IEC