ERZlich Willkommen liebe Freunde der Schutz- und Leittechnik. Wie sehen die 10 typischen Fehlerarten in Drehstromnetzen aus? In unserem heutigen Lesebeitrag widmen wir uns diesen elementaren Grundlagen und zeigen Euch am Ende des Artikels noch einige Exoten. Los geht’s:
Die Sternpunktbehandlung
An der Sternpunktbehandlung kommen wir auch bei diesem Thema nicht vorbei. Die Sternpunktbehandlung hat einen wesentlichen Einfluss auf Isolationsfehler im Drehstromnetz. Hinsichtlich der entstehenden Fehlerarten müssen wir grundsätzlich in zwei unterschiedlich geerdete Netzvarianten unterscheiden. Dabei handelt es sich immer um die Frage:
Ist das vorliegende Netz wirksam geerdet oder nicht?
Die unwirksame Erdung eines Netzes beginnt ab einem Erdfehlerfaktor 𝛅 > 1,4 aufwärts (ab 1,39 genau genommen). Alles unterhalb 1,4 bezeichnen wir als wirksam geerdetes Netz. In unserem Beitrag „Sternpunktbehandlung | Das starr geerdete Netz“ hatten wir diesen Zusammenhang bereits beschrieben.
Das NOSPE Netz kann bei ungünstigen Kurzschlussstromverhältnissen auch einen 𝛅 > 1,4 haben (bis zu 1,9 im resistiv geerdeten Netz). Schauen wir uns also die ersten 5 Fehlerarten im wirksam geerdeten Netz an:
Wirksam geerdetes Netz (𝛅 < 1,4)
Fehler 1: Der einpolige Erdkurzschluss
Unabhängig von der gewählten Netzform: Der häufigste Fehler ist immer der Erdfehler. Die folgende Abbildung zeigt einen einpoligen Erdkurzschluss.
Fehler 2: Der zweipolige Kurzschluss
Fehler 3: Der zweipolige Erdkurzschluss
Fehler 4: Der dreipolige Kurzschluss
Fehler 5: Der dreipolige Erdkurzschluss
Kommen wir nun zum nicht-wirksam-geerdeten Netz.
Nicht-wirksam geerdetes Netz (𝛅 > 1,4)
Fehler 6: Der einpolige Erdschluss
Fehler 7: Der zweipolige Kurzschluss
Dieser Fehler ist in allen Netzarten identisch. Es sind Mit- und Gegensystem vorhanden, nicht aber das Nullsystem.
Fehler 8: Der zweipolige Kurzschluss mit Erdberührung
Fehler 9: Der dreipolige Kurzschluss
Der dreipolige Kurzschluss ist ebenfalls unabhängig von der vorliegenden Netzform, es ist ausschließlich das Mitsystem involviert.
Fehler 10: Der dreipolige Kurzschluss mit Erdberührung
Gibt es weitere Fehlerarten?
Es gibt viele weitere Fehlerarten, wir zeigen Euch 3 spannende Stellvertreter.
Der Doppelerdschluss
Die häufige Folge bei unzureichender Isolationskoordinierung. Aus einem einpoligen Erdschluss wird ein Doppelerdschluss, aufgrund der überhöhten Spannungsbeanspruchung (stationär und transient) im nicht-wirksam-geerdeten Netz.
Der Mehrfachfehler
Ein eher seltener, aber dafür sehr raffinierter Fehler. Hier vermischt sich ein Längs- und ein Querfehler zu einem Mehrfachfehler. Das gerissene Leitungsseil hängt auf der Einspeiseseite in der Luft und auf der Verbraucherseite liegt es gegen Erde. Sollte das Relais zur Ortung des Erdschlusses auf der Einspeiseseite (links) sitzen, wird der Erdschluss schwer zu erfassen sein. Die Messung muss rückwärts über eine falsche Phase und zudem über die angeschlossene Lastimpedanz, des nachfolgenden Transformators erfolgen (> 10 kΩ sind sehr wahrscheinlich).
Das Bauchsche Paradoxon
Das Bauchsche Paradoxon tritt in der Praxis äußerst selten in Erscheinung. Voraussetzung ist, dass auf einer Seite eine große Einspeiseleistung vorhanden ist und das auf dem geerdeten Gegenende ausschließlich Verbraucher angeschlossen sind. Bei dieser besonderen Konstellation stellen sich bei einem einpoligen Erdkkurzschluss auch Kurzschlussströme in den fehlerfreien Leitern ein. Im ungünstigsten Fall sind die Amplituden in allen drei Leitern gleich groß und der einpolige Erdkurzschluss erscheint als dreipoliger Kurzschluss (rechts im Bild).
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