ERZlich Willkommen liebe Freunde der Schutz-, Leit- und Elektrotechnik. Was passiert eigentlich bei einem Blackout und ist sowas in Deutschland überhaupt möglich? In seinem Buch „Blackout“ hat uns Marc Elsberg ein erschreckend realistisches Szenario vor Augen geführt. Ein großflächiger und zudem lang anhaltender Stromausfall hätte einschlägige Auswirkungen für unsere Gesellschaft zur Folge. Schauen wir uns Definition, Wahrscheinlichkeit und vor allem die tatsächlichen Auswirkungen eines Blackouts an und beginnen mit der eigentlichen Definition.
Was ist ein Blackout?
Es ist klar. Blackout bedeutet Stromausfall. Ab wann sprechen wir allerdings von einem „echten Blackout?“ Nicht jeder kleine Stromausfall verdient dieses große angelsächsische Wort. Auch wenn es unglaubhaft klingt, eine offizielle Definition gibt es nicht. Ein Stromausfall ist zunächst ein Stromausfall.
Die räumliche Ausdehnung und die Anzahl der vom Stromausfall betroffenen Personen, könnten als Abgrenzung kleinerer lokaler Stromausfälle von tatsächlichen Blackouts herhalten. Die folgende Tabelle zeigt die 6 größten Blackouts der letzten 20 Jahre.
In einer Studie des deutschen Bundestages unterteilen die Autoren Blackouts zudem in 4 verschiedene Zeitphasen /2/.
🌐 Phase I für Stromausfälle von 0 bis 2 Stunden
🌐 Phase II für Stromausfälle von 2 bis 8 Stunden
🌐 Phase III für Stromausfälle von 8 bis 24 Stunden
🌐 Phase IV für Stromausfälle von über 24 Stunden
Auch diese Abgrenzung ist zielführend. Klar ist, räumliche Ausdehnung und zeitliche Dauer eines Stromausfalls sind die entscheidenden Parameter für die Intensität der Auswirkungen. Wir sollten uns hier also grob darauf verständigen, dass ein Blackout viele Betroffene mit evtl. ungünstig langem Stromausfall meint. Bevor wir uns mögliche Black-Out-Szenarien ansehen, wollen wir wissen:
„Wie wahrscheinlich ist ein Blackout in Deutschland ?“
Blackout-Wahrscheinlichkeit Deutschland
Die Zuverlässigkeit der Stromversorgung der Bundesrepublik Deutschland ist sehr gut. Trotzt enormen Zuwachses erneuerbarer Erzeuger konnte bisher kein statistischer Negativeffekt bezgl. der Versorgungssicherheit nachgewiesen werden. Der „System Avarage Interruption Duration Index“ spiegelt die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung je angeschlossenen Letztverbraucher innerhalb eines Kalenderjahres wider. Die folgende Abbildung zeigt die Jahre 2014 bis 2018 /1/.
Zum Vergleich: Die Schweiz lag 2018 bei ca. 14 Minuten /3/ und Österreich bei 25 Minuten /4/. Des Weiteren könnte man sich auch am Preis orientieren, so nach dem Motto:
„Was mehr kostet bringt auch eine höhere Qualität mit sich.“
Dabei sollten wir uns alle an das Gesetz der Wirtschaft erinnern. In diesem hat der englische Schriftsteller John Ruskin ein zeitlosen Zusammenhang manifestiert:
„Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgend jemand ein wenig schlechter machen kann und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Menschen.
Es ist unklug, zu viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.
Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen. Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas besseres zu bezahlen.“
John Ruskin (1819-1900)
Übersetzen könnte man das wie folgt:
Geiz ist nicht geil sondern dämlich.
Preislich jedenfalls sind wir in Deutschland Weltmeister. Für Haushalte liegen wir bei 32 cent / kWh und führen damit die weltweite Tabelle an. Für Unternehmen sind wir mit derzeit 19 cent / kWh ebenfalls ganz vorne mit dabei, nur Dänemark und Zypern schlagen uns hier im europäischen Vergleich /6/.
Da Nichts ohne sein Gegenteil wahr ist, sollten wir dennoch nie vergessen:
„Auch Schlechtes muss nicht billig sein“.
Gemäß des energie-politischen Zieldreiecks sollte die elektrische Energie nich nur umweltverträglich und versorgungssicher, sondern auch wirtschaftlich sein.
Auch wenn wir preislich Spitzenreiter sind und bisher keine Auffälligkeiten beobachten konnten stehen die nachfolgenden Fakten außer Frage:
🌐 Erzeugung und Verbrauch müssen immer im Einklang stehen
🌐 Stabile konventionelle Erzeugung wird politisch getriggert durch derzeit speicherlose Wind- & Photovoltaikerzeuger ersetzt
🌐 Kritische Systemeingriffe sind in den vergangenen Jahren gestiegen (siehe z.B. hier)
🌐 Cyberangriffe sind eine reale Bedrohung geworden
🌐 Komplexe IT-Strukturen bieten größeres Fehlerpotential
🌐 Extreme Wetterlagen nehmen zu
🌐 Terroranschläge sind ebenfalls permanent einzukalkulieren
Zudem drängt sich die generelle Frage auf:
„Kann die Versorgungssicherheit überhaupt eine Aussage über die Blackout-Wahrscheinlichkeit treffen ?“
Wohl kaum. Generell gilt: Die Wahrscheinlichkeit eines europaweiten Strom- und Infrastrukturausfalls, mit all seinen Folgen, kann man ohnehin nicht berechnen und man sollte es auch nicht versuchen. Vielmehr handelt es sich bei einem Blackout um einen schwarzen Schwan, also um ein sehr seltenes aber dennoch real mögliches Ereignis und gerade das macht ihn so gefährlich. Ein Blackout ist jederzeit möglich und entsteht meist dann, wenn mehrere harmlose Routine-Ereignisse gleichzeitig zum Tragen kommen. Genau genommen befinden wir uns in einem Sicherheits-Dilemma: Aufgrund der hohen Sicherheit unseres Energiesystems treffen wir unzureichend Vorsorge für dessen Versagen. Daraus folgt das Dilemma:
„Je sicherer das System umso verwundbarer ist es.“
Mehrere Studien und auch das Buch von Marc Elsberg haben eindrucksvoll gezeigt, dass unsere europäischen Gesellschaften unzulänglich bis kaum auf schwarze Schwäne vorbereitet sind. Es sollte Einigkeit darüber bestehen, dass ein Blackout-Szenario über einen längeren Zeitraum auf lokaler Ebene und „an erster Front“ bewältigt werden muss. Die Betrachtungen möglicher Auswirkungen des nächsten Kapitels werden mit Nachdruck zeigen, wie wenig wir uns im Ernstfall auf Hilfe von THW und Bund verlassen können. Nicht umsonst gibt die Bundesregierung den „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ heraus und empfiehlt jedem Einzelnen Vorsorge zu treffen. In der aktuell 7. Auflage vom Juli 2019 wird explizit zur persönlichen Bevorratung nachstehender Dinge geraten:
🌐 Wasser, 2 Liter / Person / Tag
🌐 Lebensmittel und Campingkocher
🌐 Wichtige Medikamente, Schmerzmittel, Verbandskasten …
🌐 Hygieneartikel z.B. Seife, Zahnbürste und ganz wichtig Toilettenpapier ;-)
🌐 Kerzen, Streichhölzer, Taschenlampe, Reservebatterien, Brennstoffe …
🌐 Kurbelradio
Im zuvor zitierten Papier des deutschen Bundestages heißt es zudem:
„Die Wahrscheinlichkeit eines langandauernden und das Gebiet mehrerer Bundesländer betreffenden Stromausfalls mag gering sein. Träte dieser Fall aber ein, kämen die dadurch ausgelösten Folgen einer nationalen Katastrophe gleich. Diese wäre selbst durch eine Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen nicht »beherrschbar«, allenfalls zu mildern.“/2/
Was passiert bei einem Blackout in Deutschland ?
Zunächst ist es die Dauer des Blackouts, welche unterschiedliche Situationen bedingt. Ein kurzer Stromausfall im Minutenbereich wird zu keinen bis sehr geringen Auswirkungen führen. Im folgenden widmen wir uns dem „Dicken Schwarzen Schwan“ und zwar einem mehrtätigen bundesweiten Blackout und seinen Folgen.
Zusammenbruch der Informationstechnik und Telekommunikation
Die Studie des Bundestages kommt zum Ergebnis das bei einem flächendeckenden Stromausfall bereits nach kurzer Zeit
🌐 Festnetz
🌐 Mobilfunk
🌐 Internet und
🌐 Rundfunkempfang
ausfallen. Da USV (Unterbrechungsfreie Stromversorgung) und NSA (Notstromaggregat) teilweise bereits nach Stunden, spätestens aber nach wenigen Tagen erschöpft sind, muß von einem Totalausfall der Kommunikation innerhalb kürzester Zeit ausgegangen werden. Zwar existieren Systemkomponenten die mehrere Tage nutzbar seien, allerdings haben alle genannten Systeme Schwachstellen. Das schwächste Glied bestimmt dann final über die Funktionalität des Gesamtsystems und führt zu dessen Versagen. Beim Internet bilden beispielsweise unsere strombasierten Endgeräte und Router die Lücke, obwohl das Internet über das gut abgesicherte Fernübertragungsnetz betrieben wird. Wir notieren also: Handy, Telefon, Pizza bestellen und Bundesliga fallen aus.
Zusammenbruch von Transport und Verkehr
Die individuelle Beförderung und der Gütertransport erfährt erhebliche Einschränkungen und kommt innerhalb kürzester Zeit zum Erliegen. Auf der Straße, auf der Schiene, im Wasser und auch in der Luft sind systemrelevante Elektrokomponenten nicht mehr verfügbar. Es kommt zu:
🌐 Staus in den Städten
🌐 Unfällen
🌐 verwaisten Bahnen und Zügen
🌐 LKW-Staus auf Autobahnen
🌐 Güterstaus in Häfen
Damit kommen auch Versorgung und Eigenversorgung der Bevölkerung zum Erliegen. Die Versorgung an Tankstellen mit Kraftstoffen ist nicht mehr gegeben. Nahrungsmittel und lebensnotwendige Medikamente können nicht mehr bedarfsgerecht verteilt werden. Zudem sind unzählig viele Menschen in Fahrstühlen, U-Bahnen, Autos, Zügen und Bussen liegen geblieben und müssen evakuiert und versorgt werden. Einzig auf Flughäfen dürfte es zunächst geregelter Ablaufen, da diese über entsprechende Notstromversorgungen verfügen. Halten wir fest: Weder wir noch wichtige Waren und Güter unseres täglichen Bedarfs kommen noch von A nach B.
Einschränkungen in der Wasserversorgung
Unsere gesamte Wasserinfrastruktur ist auf die Versorgung mit elektrischer Energie angewiesen. Der Mangel an Trink- und Löschwasser hätte katastrophale Folgen. Die Einrichtung mobiler NSA, die Nutzung von Notbrunnen und auch der Einsatz mobiler Sanitätswagen können unter hohem personellen, zeitlichen und organisatorischen Aufwand temporäre Lösungen bieten. In der Fläche und vor allem in Ballungszentren ist aber folgende Situation vorherrschend:
🌐 Die Trinkwasserversorgung kommt vollständig zu Erliegen
🌐 Abwassersysteme und Toilettenspülungen funktionieren nicht mehr
Hier liegt die eigentliche Achillesferse unserer Gesellschaft. Während wir mehrere Wochen ohne Nahrung auskommen, sind es nur sehr wenige Tage ohne Trinkwasser. Wer hier nicht direkt an der Mecklenburger Seenplatte oder vergleichbaren Oasen lebt hat ein Problem.
Versorgung mit Lebensmitteln
Unsere bisherige isolierte Betrachtung der Ereignisse verdeckt das eigentliche Zusammenspiel der Dinge. So führen der Ausfall von Telekommunikation und Verkehr unweigerlich zum Zusammenbruch der Lebensmittelproduktion sowie der Koordination zur bedarfsorientierten Belieferung mit Lebensmitteln. Bereits nach ein bis zwei Tagen ist davon auszugehen, das kaum noch Filialen beliefert werden können.
Da die Lebensmittelversorgung Teil der Schutzpflicht des Staates ist, hält dieser die sogenannte „Zivile Notfallreserve“ bereit. Diese aus Getreide und Milchpulver bestehende Reserve, kann in Notfällen je nach Möglichkeit weiterverarbeitet und verteilt werden. Zudem bilden die deutschen Bestände der EU-Interventionsreserve die Möglichkeit auf Getreide, Reis, Olivenöl, sowie Milch- und Fleischerzeugnisse zurückzugreifen. Im Papier des deutschen Bundestages heißt es dennoch:
„Trotz größter Anstrengungen kann aber mit großer Wahrscheinlichkeit die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung mit Lebensmitteln nur ungenügend gewährleistet werden. Hindernisse dürften vor allem die teilweise schlecht vernetzten Akteure und die nicht vorhandenen Kommunikationsmittel sein ./2/“
Da gesunde Menschen nahezu problemlos bis zu 3 Wochen ohne Nahrung auskommen, sind hier vor allem kranke Menschen und Kleinkinder am meisten gefährdet.
Gesundheitswesen
Die bereits genannten Defizite im Bereich von Lebensmitteln, Kommunikation, Wasser und Transportdienstleistungen führen zum Zusammenbruch der Qualität unserer medizinischen Versorgung. Spätestens nach einer Woche muss mit der gesundheitlichen Schädigung und ggf. dem Tod von Menschen gerechnet werden. Die Versorgung mit:
🌐 Insulin
🌐 Blutkonserven
🌐 Blutprodukten
🌐 Sterilgut
🌐 frischer Wäsche
🌐 weiteren wichtigen Medikamenten
wird schnell knapp und führt zur drastischen Verschlechterung der Situation. Einige wenige Krankenhäuser die länger durchhalten, werden zur Hauptanlaufstelle und sind dementsprechend dadurch ebenfalls schneller am Ende ihrer Kapazität. Arztpraxen und Apotheken sind aus den bisher genannten Gründen ebenfalls nicht mehr in der Lage bedarfsgemäß zu funktionieren.
Im Beitrag des deutschen Bundestages heißt es dazu:
„Führt man gedanklich die spätestens am Ende der ersten Woche zutage getretenen Entwicklungen und Zustände fort, lässt sich erkennen, dass die zentrale Funktion des Gesundheitssektors, die Menschen mit den erforderlichen medizinischen Dienstleistungen zu versorgen, kaum noch gewährleistet werden könnte. Die Risiken für Leib und Leben würden exponentiell ansteigen, sodass der Staat insgesamt seiner Schutzpflicht nicht mehr gerecht werden kann. Ohne eine Zuführung von medizinischen Gütern, Infrastrukturen und Fachpersonal von außen ist die medizinisch-pharmazeutische Versorgung nicht mehr möglich./2/“
Finanzdienstleistungen
Hier können wir uns relativ kurz fassen. Bargeldabhebungen funktionieren nicht mehr und Banküberweisungen sind ebenfalls nicht mehr möglich, der Zahlungsverkehr kommt zum vollständigen Erliegen. Auch bargeldlose Zahlungen sind nicht mehr möglich. An Bargeld hat man dann nur soviel, wie man bei Eintritt des Blackouts im Portemonnaie oder unter dem Kopfkissen hatte.
Weitere Effekte wie drastische Preisanstiege vor allem für Lebensmittel, gewaltsame Auseinandersetzungen, Diebstähle, Einbrüche, Überfälle und Plünderungen sind ebenfalls denkbar. Zudem besteht die Hoffnung, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung in einer solchen Notsituation solidarisiert, verbündet und gegenseitig unterstützt.
Fassen wir zusammen
Kein Strom bedeutet:
🌐 kein Licht
🌐 keine Heizung
🌐 keine Kühlung
🌐 kein Wasser
🌐 keine Lebensmittel
🌐 kein Aufzug
🌐 keine Rolltreppe
🌐 keine Tankmöglichkeit
🌐 keine Kassen- und Bezahlsysteme
🌐 keine Bargeldausgabe
🌐 keine Transportmöglichkeiten
🌐 keine Toilettenspülung (nach Druckabfall)
🌐 kein Handynetz
🌐 kein Festnetz
🌐 kein Internet
🌐 keine qualitative Versorgung in Krankenhäusern
🌐 Aufzählung nicht abschließend …
Fazit
Hoffen wir das sich dieses kafkaeske Szenario eines Blackouts in Deutschland und Europa nie ereignet. Einem schwarzen Schwan zu begegnen hingegen wäre ok und zudem möglich: Sie existieren wirklich!
HERZliche Grüsse
Euer SCHUTZTECHNIK-TEAM
Quellen:
/1/ Bundesnetzagentur
/2/ https://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/buecher/petermann-etal-2011-141.pdf
/3/ Bericht „Stromversorgungsqualität“ der ElCom, Bern, Mai 2019
/4/ vienna.at
/5/ Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2020, bundesheer.at
/6/ globalpetrolprices.com